Englische Grammatik · English Grammar
Was ist eigentlich Grammatik? Grammatikstunden zählen einerseits zu den meistgehaßten des Fremdsprachen-Unterrichts, andererseits: Wenn ein Lehrer fragt, was man denn in der letzten Stunde vor einer wichtigen Klassenarbeit noch einmal wiederholen solle, kommt häufig die Antwort: "Grammatik!" oder: "Die Zeiten!"
Das Wort Grammatik hat drei Bedeutungen:
- eine sprachwissenschaftliche Disziplin, die die Sprachstruktur, die Funktionen sprachlicher Formen beschreibt;
- eine bestimmte wissenschaftliche Beschreibung einer Sprache durch einen Autor oder eine linguistische Richtung (deskriptive Grammatik);
- ein Lehrwerk, das verbindliche Regeln für den "richtigen" Sprachgebrauch aufstellt (normative bzw. präskriptive Grammatik).
Für den Fremdsprachenunterricht ist die dritte Definition relevant, wenn man einmal von einer sprachbetrachtenden Linguistikreihe absieht, wie sie in der Oberstufe durchaus ihren Platz hat: Es geht um das Lernen u. a. nach Regeln ("u. a." deshalb, weil das Lernen nach Sprach-Mustern für den Lernerfolg wichtiger ist, als mancher das gerne einsieht.) Der Regel-Begriff aber hat es in sich: Gemeint ist nicht unmittelbar die "Regel", die sich aus der Analyse eines sprachlichen Phänomens ergibt. Aber der Reihe nach:
Am Anfang war nicht die Regel, sondern die Sprache. Was bei Huhn und Ei vielleicht nie geklärt werden wird, das steht für die Sprache fest: Die großen wissenschaftlichen, also deskriptiven Grammatiken der menschlichen Sprachen sind immer nur der Versuch, aus ihren Äußerungen die Regeln zu destillieren, die sie vollständig und richtig erklären. Da Sprachen ungeheuer komplex und lebende Sprachen zudem dynamisch sind, sind Grammatiken eigentlich nie perfekt man kann immer noch etwas verbessern, und Sprachwissenschaftler versuchen das.
Schul- bzw. Lerngrammatiken sind kleiner und funktionieren anders: Sie beschreiben nicht, wie eine Sprache "in der Regel" ist, um dann die Ausnahmen zu nennen, sondern nennen "griffige" Regeln, mit denen der Lerner Sprache produzieren soll, und zwar möglichst authentische.
Man könnte beide Grammatiktypen mit echten und falschen Bedienungsanleitungen vergleichen: Viele dieser z. B. für Video- oder DVD-Recorder oder Computer-Programme geschriebenen Texte fallen nicht nur durch teils amüsante, teils ärgerliche Direktübersetzungen aus dem Japanischen (oder Koreanischen oder Chinesischen) auf, sie sind überhaupt keine echten Bedienungsanleitungen, sondern technische Referenzen, die systematisch die Funktion jedes einzelnen Druckknopfes, jeder Schaltfläche, jedes Menüpunktes erklären. Eine Bedienungsanleitung hingegen erläutert jeweils nur, wie (mit welchen Druckknöpfen oder Befehlen etc.) eine bestimmte Aufgabe zu erledigen ist, wobei wichtige Befehle, Schaltflächen etc. immer wieder erwähnt werden. Der Bedienungsanleitung entspricht die präskriptive Schulgrammatik.
Leider wird zwischen beiden Grammatik-Typen nicht immer sauber unterschieden. Ein Beispiel ist das englische Present Perfect: Historische Erklärungsversuche aus der deskriptiven Grammatik werden hier häufig mit unvollständigen bzw. falschen präskriptiven Regel vermischt, so daß diese Zeitform sehr oft falsch verwendet wird; die Schüler lernen zwar, wo oder wann das Present Perfect vorkommt, aber nicht wirklich, wann bzw. wozu sie es einsetzen sollen.
Daß eine gute präskriptive englische Grammatik ähnlich schwer zu schreiben ist wie eine deskriptive, zeigt schon der Büchermarkt. Mal läßt sich eine deskriptive Regel unverändert ins Schulbuch übernehmen, mal muß ein Regelkomplex auf einen Kern reduziert, von historischem Erklärungsballast befreit werden. Die folgenden Seiten können vielleicht und sollen dazu beitragen, dem Lernanfänger die englische Grammatik verständlicher zu machen.
Diese Seiten erklären die englische Grammatik immer wieder kontrastiv, also im deutsch-englischen Sprachvergleich: Es ist eine Illusion anzunehmen, der Sprachlerner tauche für 45 oder 90 Minuten ein in eine anglophone Klang- und Gedankenwelt, in der das Deutsche keine Rolle mehr spielt. Die Realität ist, daß Lerner jahrelang teilweise oder ganz in Deutsch vordenken und dann nach englischen Entsprechungen suchen. Sprachen wie auch Redeabsichten sind einfach zu komplex, als daß die Automatisierung einer zielsprachlichen Struktur durch Üben (Einschleifen) den Rekurs auf die Muttersprache entbehrlich machte. Der Sprachvergleich hilft dann, strukturelle Interferenzen (das Kopieren deutscher Grammatik im Englischen) zu vermeiden: Deutsche Schüler müssen die englische Grammatik vor allem deshalb lernen, weil sie anders ist als die deutsche.
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