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Grammatik-Tests: Konzeption, EvaluationTests, Klassenarbeiten, Leistungsnachweise: Kurse und Lehrgänge, die mit Zertifikaten und Zeugnissen abschließen, benötigen Verfahren, die es ermöglichen, Leistung bzw. Kenntnisse zu testen und zu bewerten. Viele Schüler haben diese Verfahren auch Jahrzehnte später noch in unangenehmer Erinnerung, entschieden und entscheiden sie doch über Freunde oder Verzweiflung, Lob und Schelte, Versetzung oder Sitzenbleiben und ihre Zukunft. 1. "Achten Sie auf die Aufgabenstellung!"Diese Aufforderung hat durchaus ihre Berechtigung: Schüler beginnen häufig sofort mit der Lösung einer Aufgabe, ohne die Überschrift gelesen und verstanden zu haben. Die Folge sind viele unnötige Fehler: Wenn die Aufgabe z. B. lautet: "Past: simple or progressive?", dann ist das Past vorgegeben, der Schüler bzw. die Schülerin muß sich nur noch zwischen simple und progressive entscheiden. Oberflächliche, unkonzentrierte Schüler jedoch benutzen auch andere Zeitformen und handeln sich so Fehler ein, die mit dem Aspekt (simple vs progressive) nichts zu tun haben. Umgekehrt erschweren manche Aufgabenstellungen die richtige Lösung unnötig, wenn nicht sogar mutwillig: Wenn eine Aufgabe auch von vielen aufmerksamen Teilnehmern nicht verstanden wird, so wird die Lösung zum Zufallsprodukt. Das bedeutet: Die erreichte Punktzahl (und schließlich die Note) bewertet nicht z. B. eine bestimmte grammatische Kenntnis, sondern entweder einen Zufallstreffer oder das Verständnis einer schwierig formulierten Aufgabenstellung: Wer die Aufgabe nicht (richtig) versteht, macht einiges richtig, anderes falsch; wer sie falsch versteht, macht vielleicht alles falsch, nur weil er vielleicht ein Wort im Aufgabentext nicht bzw. falsch verstanden hat. Eine Grammatikaufgabe mutiert so zum heimlichen Vokabeltest; im Unterschied zu einem Vokabeltest bestraft eine Grammatikaufgabe eine falsch oder gar nicht verstandene Vokabel in der Überschrift allerdings nicht mit einem einfachen Punktabzug, sondern dem Abzug unter Umständen aller (vielleicht zehn) Punkte. Der Lehrer unterstellt "natürlich" mangelnde Grammatikkenntnisse, schließlich steht in der Überschrift klar, worum es geht. Ein Beispiel aus einer Hauptschul-Abschlußarbeit:
Die Länge der Aufgabenstellung, ihre Grammatik (das Passiv) und die Vokabeln ("replace", "bold type") sprechen eher für eine schriftliche Klausur des Mittleren Schulabschlusses, dennoch wird Hauptschülern diese Formulierung zugemutet. Lehrer, die solche Formulierungen wählen, verteidigen diese üblicherweise mit zwei Argumenten:
Es mag durchaus sein, daß eine Grammatikaufgabe mit genau dieser Aufgabenstellung zuvor intensiv geübt wurde, daß alle Schüler dabei anwesend waren und sich alle während der Klassenarbeit an die schwierige Formulierung und ihre Bedeutung erinnern und daß folglich alle wissen, was zu tun ist in relativ homogenen Gruppen mit geringen Leistungsunterschieden ist das vorstellbar. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die Aufgabenstellung unter Umständen ein einziges schwieriges Wort die gesamte Lösung gefährdet und daß die zusätzliche Anforderung nicht explizit ausgewiesen ist: Der Lehrer testet einleitend das Verständnis einer Vokabel, die über das Verständnis der gesamten Übung entscheidet, bewertet aber nur die Grammatikübung. Schwachen Schüler fallen dieser (Selbst-)Täuschung am ehesten zum Opfer, und der Lehrer kann nicht mit Bestimmtheit, ob sie an der Aufgabenstellung oder wirklich an der Grammatik gescheitert sind. Manche Lehrer wollen das nicht einmal wissen. 2. Das Antwort-Frage-SpielSie haben richtig gelesen. Während im natürlichen Sprachverhalten die Frage zuerst auftritt und eine angemessene Antwort erheischt, drehen manche Fremdsprachen-Lehrer diese Reihenfolge gerne mal um:
Warum greifen "Pädagogen" zu dieser logischen Verrenkung? Nicht, daß das zur Beantwortung der Aufgabe nötige Abstraktionsvermögen nicht auch für Schüler wünschenswert wäre aber warum tauchen solche Aufgaben immer wieder in Englisch-Tests auf statt in Intelligenztests? Wer solche Grammatikaufgaben lange mit Teilnehmern geübt hat, weiß, daß die "richtige Frage" eine sehr relative Größe ist und der Sinn der Unterstreichung oder Klammer oft genug nicht verstanden wird. Statt der erhofften Frage nach dem Subjekt oder einer Ortsbestimmung liest der Lehrer enttäuscht eine Frage nach der Zeit oder eine Entscheidungsfrage und streicht entschlossen einen Fehler an: Schließlich hat der Schüler die falsche Frage aufgeschrieben, er kann eben keine Fragen.
Wer die Fähigkeit von Lernenden, in einer Zielsprache Fragen zu stellen, objektiv ermitteln will, wird auf implizite Zusatzanforderungen, die das Testergebnis verfälschen, verzichten und einfach auch die deutsche Frage, zumindest aber das deutsche Fragewort notieren. (Wenn ein Schüler dann 'wo' mit "who" oder 'wer' mit "where" übersetzt, ist das Ergebnis wenigstens eindeutig.) 3. Wort-Scrabble (oder: Puzzle I)Eine in Englisch-Lehrwerken beliebte Übungstyp verlangt, aus einer (durch Schrägstrich getrennten) Wortreihe einen grammatisch richtigen Satz in einer definierten grammatischen Form (Fragesatz, Present Perfect etc.) zu bilden. Ein Beispiel:
Um diesem Aufgabentyp gleich mit dem ihm gebührenden Sarkasmus zu begegnen: Schüler mit jahrelanger Scrabble-Erfahrung ('Buchstabensuppe') sind hier eindeutig im Vorteil! Und Teilnehmer, die solche Phantasie-schärfenden Übungen öfters gemeistert haben, können womöglich später auf eine durchaus berufsorientierende Erfahrung aufbauen, wenn sie als Archäologen, Kriminalisten oder Geheimagenten die Bruchstücke einer babylonischen Tontafel oder eines geshredderten Dokumentes zusammensetzen sollen. Für uns Durchschnittsmenschen bleibt indes die Frage: Was soll mit dieser Übung gelernt und geübt werden? Was testet ein solcher Test, wenn er bewertet wird? 4. Lückentext (oder: Puzzle II)
Das Beispiel nennt einige der üblichen Arbeitsanweisungen und einen beliebigen Text, der nur Verbformen testen soll, also keine Adverben, Pluralbildungen, Präpositionen etc. Der Beispieltext erwartet vom Testteilnehmer, daß er die Wörter in Klammern als Verben und in ihrer Bedeutung kennt und erkennt und ohne vorherige Kenntnis der Satzaussage einmal die Passivform konstruiert, ein andermal die Aktivform, jeweils in der richtigen Zeitform. (Frage nebenbei: Ist das Historische Präsens ausgeschlossen?) Andere Lückentests erlegen sich keine solche Beschränkungen auf und testen mehrere oder alle Grammatikgebiete gleichzeitig. Originaltexte scheinen ihre bevorzugte Quelle zu sein, haben sie doch den Reiz der Authentizität. Bedeutung entsteht bekanntlich durch die Interpretation aller Textinformationen: der Wörter, ihrer Formen (Verbformen, Endungen etc.), ihrer Verbindung mit anderen Wörtern (collocations) und der Wortfolge. Viele dieser Informationen sind durchaus redundant, was es einem gebildeten Muttersprachler ermöglicht, sie in solchen Fällen mit großer Sicherheit zu rekonstruieren: Es ist sehr wahrscheinlich, daß nach many oder vor are oder were eine (logisch nicht wirklich nötige) Pluralform steht, und meistens hat diese ein s am Ende; und auch nach he, she oder it muß im Present immer noch das (eigentlich redundante) s mit. Dennoch sind solche Redundanzen offenbar für das gewöhnliche Sprachverständnis unter Muttersprachlern wichtig, sonst gäbe es nicht so viele davon.
Mit diesen beiden Einschränkungen belastet, soll der Prüfling aber dennoch erkennen, welcher Numerus, welche Zeitform, ob ein Adjektiv oder Adverb etc. einzusetzen ist. Dieser Übungstyp geht also ganz vorsätzlich nicht etwa von einem Inhalt aus, den es korrekt in die schwierigen Zielsprache zu übersetzen gilt, sondern genau umgekehrt von teils unbekanntem, teils fehlendem Wortmaterial, das den Sinn des Textes verheimlicht und erst nachträglich ergeben soll. (Eine solche Umkehr natürlicher Sprachproduktion ist allenfalls bei Werbetextern z. B. für Politiker zu beobachten, die in eigentlich beliebigen Aussagen unbedingt Begriffe unterbringen müssen, die gerade Konjunktur haben.) Lückentexte bergen aber noch eine zweite, vielleicht naheliegendere Gefahr: Ihr Sinn ist aufgrund fehlender Informationen (eben der gewünschten Wortformen) im wahren Sinne des Wortes lückenhaft, was häufig mehrere Interpretationen zuläßt. Der folgende Teil eines Lückentextes gibt Beispiele, die anschließend kommentiert werden:
Aussagekräftig, im Sinne einer vergleichenden Leistungserhebung valide kann ein solcher Lückentext nur sein, wenn allen Testteilnehmern klar ist, was im Falle jeder einzelnen Lücke gemeint ist. Genau das aber erfordert jeweils eine zusätzliche muttersprachliche Version der einzusetzenden Form. Und die ist als "altmodisch" verpönt. Schließlich soll noch eine dritte Variante des Lückentextes erwähnt werden, die eigentlich unschädlich ist, aber eben auch unnütz um nicht zu sagen: überflüssig:
Diese Aufgabe testet tatsächlich nur die unregelmäßigen Verben und die ed-Endung der regelmäßigen. Teilnehmer, die das wissen (und wer sollte das nicht verstehen), lösen diese Aufgabe ganz schnell: Sie springen von einer Lücke zur nächsten und setzen, vor allem wenn sie die unregelmäßigen Verben gelernt haben, die richtigen 2. Stammformen ein. Den Kontext können sie getrost ignorieren: Die zu findenden Wortformen sind nur scheinbar kontextabhängig. Es gilt nicht, wie oben, nachträglich Sinn zu finden, sondern völlig losgelöst von möglichem Sinn die Kenntnis der richtigen Verform zu dokumentieren. FazitEin Grund für die seltsamen Testtypen liegt offensichtlich in der panischen Angst mancher Sprachenlehrer, auch nur ein deutsches Wort zu viel zu schreiben und sich so dem Verdacht auszusetzen, sie machten eine (verpönte) Übersetzung: Statt also mit wenigen deutschen Worten klarzumachen, was auf Englisch ausgedrückt werden soll, verschleiern sie die Bedeutung der Übungssätze durch komplizierte englische Aufgabenstellungen, bewußt falsch geordnetes Wortmaterial und andere wirklichkeitsfremde Techniken und erwarten von ihren Schülern, daß sie die Bedeutung dessen, was sie schreiben, erst selbst ermitteln. Das entspricht nicht natürlichen Sprechakten. |
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